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Wenn einer aus der Reihe tanzt: Was ist Anomalierkennung? [Teil 1]

Unter dem Motto „Superkräfte durch KI“ präsentieren wir KI-Ansätze, die wir alltäglich in unseren Projekten verwenden. Sie bekommen einen Überblick zu möglichen Ansätzen und deren Funktionsweise und entdecken, welche konkreten Einsatzszenarien und Vorteile für Sie möglich sind.

Titelbild

Sie haben mehrere Kleinkinder zu Hause und es ist aktuell erstaunlich ruhig. Kein Ton kommt aus dem Kinderzimmer. Irgendwas stimmt doch nicht?! Sie schauen sicherheitshalber mal nach, ob alles gut ist.

Herzlichen Glückwunsch — Sie haben das Prinzip von Anomalieerkennung intuitiv verstanden und angewendet! In dieser Blogreihe wollen wir uns mit dem automatischen Erkennen von auffälligen Zuständen und Situationen mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) beschäftigen. Außerhalb des Familienlebens kann Anomalieerkennung breit eingesetzt werden, z.B. bei der Fallbearbeitung in der Verwaltung oder der Prozessüberwachung in der Produktion. Oftmals bedeuten auffällige Zustände, dass es sich lohnt, genauer hinzuschauen: Eine Unregelmäßigkeit im Antrag oder abweichende Sensorwerte in der Maschine. Es lohnt sich, diese Zustände möglichst automatisiert zu erkennen und zu prüfen. Während das bloße Auge und oft auch einfache Ansätze auffällige Zustände in komplexen Systemen nicht direkt erkennen können, helfen uns KI-Ansätze, Superkräfte zu entwickeln und dadurch schneller und gezielter zu reagieren.

Um auffällige Zustände automatisiert zu erkennen, greifen viele Unternehmen auf manuell festgelegte Grenzwerte zurück, die den „Normalbereich“ der relevanten Größen beschreiben: Liegen die Ausgaben unter 100 Euro? Liegt die Temperatur der Maschine in einem gewissen Temperaturkorridor? Je komplexer allerdings die Zusammenhänge zwischen den Größen der Zustände sind, desto komplexer müssen auch die Grenzwerte festgelegt werden. Bei Kleinkindern könnte man beunruhigt werden, wenn es im Haus sehr still ist. Allerdings wäre Stille normal, wenn die Kinder gerade in der Schule sind. Der Punkt, ab dem man beunruhigt ist, ist also abhängig davon, wie viele Kinder sich gerade im Haus befinden (und von vielen anderen Faktoren, z.B. ob die Kinder krank im Bett liegen, wie spät es ist, ob sie generell eher ruhige Kinder sind, etc.).
Im besten Fall können manuell feste Regelwerke entwickelt werden. Das ist allerdings initial sehr aufwendig und muss kontinuierlich gepflegt werden. Ändert sich das System, müssen die Regeln überarbeitet werden. In unserem Beispiel: Das Kind wird älter, hat andere Spielbekanntschaften und muss neuerdings viele Hausaufgaben erledigen.

Einfache Grenzwerte und manuell festgelegte Regelsysteme funktionieren also nicht immer zuverlässig. Ausgereiftere Methoden werden benötigt, die komplexe Zusammenhänge automatisch lernen und sich an neue Umstände anpassen können. Künstliche Intelligenz (KI) kann hier die Lösung bieten, denn es wird bereits seit Jahrzehnten an „Anomalieerkennung“ geforscht.

Unser etabliertes Framework für Anomalieerkennung besteht aus drei Schritten. Angewendet auf die Situation im Kinderzimmer sieht das so aus:

Schritt 1 — Modellierung des Normalzustands: „Ich habe mehrere Kleinkinder zu Hause. Ich würde erwarten, dass sie spielen und dadurch der Geräuschpegel hoch ist.“

Schritt 1 

Schritt 1: Daten, die den „Normalzustand“ beschreiben, werden gesammelt (gelbe Punkte). Daraus wird ein Modell der erwarteten Lautstärke abhängig von der Anzahl der Kinder im Haus gelernt.

In dieser Phase sammeln wir Daten und entwickeln ein (Machine Learning) Modell, welches den Normalzustand des Prozesses und der Zustände gegeben der äußeren Umstände abbildet. Mehrere Kinder sind im Haus? Erwartungsgemäß wird es laut. Wir entwickeln also ein Modell der Lautstärke im Haus gegeben der Kinderanzahl, ihrer Position etc. Im Bild ist vereinfachend nur die erwartete Lautstärke gegeben der Anzahl der Kinder im Haus dargestellt. Hier können wir die Daten beispielsweise mit einer quadratischen oder exponentiellen Regression modellieren und damit die erwartete Lautstärke schätzen.

Schritt 2 — Berechnung der Abweichung des tatsächlichen Werts vom erwarteten Normalzustand: „Es ist ruhig im Haus. Die Lautstärke unterscheidet sich stark von meiner Erwartung.“

Schritt 2

Schritt 2: Die Abweichung der echten von der erwarteten Lautstärke wird berechnet.

Wir vergleichen die tatsächlichen Werte mit unseren Modellberechnungen. Die erwartete Lautstärke ist erheblich höher als die tatsächliche (52 statt 75 Dezibel, also 23 Dezibel Abweichung). Diese Abweichung nutzen wir als Indikator für auffällige Zustände: Je höher die Abweichung vom erwarteten/gelernten Normalzustand, desto eher sollte man nach dem Rechten schauen.

Schritt 3 — Festlegung der Abweichung, die noch als „normal“ eingestuft wird: „Hier stimmt doch was nicht?!“

Schritt 3

Schritt 3: Aus der bisherigen Erfahrung zeigt sich, dass diese Abweichung erheblich höher als üblich ist. Es handelt sich also um eine Anomalie.

Die Beunruhigung ist höher, wenn es mucksmäuschenstill ist, als wenn man weiterhin Kinder spielen hören kann, denn bei Stille ist die Abweichung zum erwarteten Wert größer und dadurch weniger „normal“. Das Erreichen des „Ich schaue lieber mal nach“-Punktes ist individuell und abhängig vom generellen Setting und den üblichen beobachteten Schwankungen. Manche Eltern schauen zum Beispiel erst bei höheren Abweichungen nach als andere. Im Beispiel liegt die Lautstärke erheblich außerhalb der gelernten erwarteten Lautstärkeschwankung, sodass es sich hier um einen auffälligen Zustand handelt und unbedingt überprüft werden sollte, ob alles in Ordnung ist.

Dieses Framework kann in einer Vielzahl von Situationen verwendet werden. Im nächsten Blogpost werden wir uns mit der Anwendung von Anomalieerkennung im produzierenden Gewerbe beschäftigen. Hier geht es darum, Maschinen oder Werkstücke zu überwachen und bei Auffälligkeiten Alarm zu schlagen, um mögliche Kosten durch defekte Maschinen oder Teile zu minimieren. Daraufhin werden wir uns im dritten und letzten Blogpost zur Anomalierkennung mit deren Anwendung in der Verwaltung beschäftigen, wo auffällige Zustände beispielsweise in der Bearbeitung von Anträgen, Steuererklärungen oder Geldflüssen ein wichtiger Bestandteil bei der Bekämpfung von Betrug sind.

Haben wir Ihr Interesse geweckt? Wo kann Anomalieerkennung bei Ihnen eingesetzt werden? Kontaktieren Sie uns gern und folgen Sie uns bei LinkedIn, um die kommenden Blogposts nicht zu verpassen.